Wann droht ein Betriebsübergang? Risiken für Personaldienstleister und ihre Kunden

Arbeitsrecht 10.02 Personalblatt

Die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und einem Betriebsübergang ist in der Praxis oft komplex und kann weitreichende Folgen haben. Insbesondere für Personaldienstleister und ihre Kunden birgt die falsche Handhabung erhebliche Haftungsrisiken. Wer sich nicht gründlich mit der aktuellen Rechtsprechung auseinandersetzt und seine Verträge sauber gestaltet, riskiert, ungewollt in die Haftung zu geraten.

Arbeitnehmerüberlassung oder Betriebsübergang?

Ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein Betriebsteil mit seinem wesentlichen wirtschaftlichen Kern auf einen anderen Rechtsträger übergeht. Dies hat zur Folge, dass alle Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber übergehen.

Demgegenüber steht die Arbeitnehmerüberlassung, bei der Mitarbeiter eines Personaldienstleisters zeitlich begrenzt an ein anderes Unternehmen ausgeliehen werden. Entscheidend für die Abgrenzung sind Kriterien wie die Integration der Arbeitnehmer in die Unternehmensstruktur des Entleihers, die Weisungsbefugnis und der Erhalt wesentlicher Betriebsmittel.

Wichtige Urteile und ihre Auswirkungen

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat in den letzten Jahren mehr Klarheit geschaffen, aber auch neue Unsicherheiten erzeugt. In einem wegweisenden Urteil stellte das Gericht fest, dass ein Betriebsübergang auch dann vorliegen kann, wenn der Erwerber wesentliche immaterielle Betriebsmittel – etwa Kundenbeziehungen oder spezifisches Know-how – übernimmt.

Ein weiteres wichtiges Urteil betrifft die Konstellation, in der ein Auftraggeber Personal eines Dienstleisters dauerhaft und mit gleichbleibenden Aufgaben einsetzt. Hier kann ein Betriebsübergang vorliegen, wenn der betroffene Bereich organisatorisch eigenständig bleibt und vollständig auf den neuen Auftragnehmer übergeht.

Für Personaldienstleister bedeutet dies: Je länger und intensiver eine Überlassung erfolgt, desto größer ist das Risiko, dass die Rechtsprechung dies als Betriebsübergang einstuft.

Vertragsgestaltung zur Vermeidung von Haftungsrisiken

Um rechtliche Unsicherheiten zu minimieren, sollten Unternehmen und Personaldienstleister bereits bei der Vertragsgestaltung klare Regelungen treffen. Wichtig sind unter anderem:

  • Klare Abgrenzungskriterien: Verträge sollten eindeutig festhalten, dass es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt und keine Übernahme betrieblicher Strukturen erfolgt.
  • Einsatzdauer und Weisungsbefugnis: Eine langfristige Überlassung ohne Rückkehrperspektive oder direkte Weisungsbefugnis des Kunden kann als Indiz für einen Betriebsübergang gewertet werden.
  • Verbot der Übernahme immaterieller Betriebsmittel: Der Erwerb von spezifischen Kundenbeziehungen oder betriebsspezifischem Know-how sollte vertraglich ausgeschlossen werden.

Unternehmen sollten zudem regelmäßig prüfen, ob sich die tatsächliche Umsetzung ihrer Personalstrategie mit den vertraglichen Regelungen deckt.

Strategien zur Risikominimierung

Neben einer sauberen Vertragsgestaltung gibt es weitere Maßnahmen, um das Risiko eines ungewollten Betriebsübergangs zu reduzieren:

  • Regelmäßige rechtliche Prüfung: Insbesondere langlaufende Arbeitnehmerüberlassungsverträge sollten kontinuierlich auf Risiken geprüft werden.
  • Einsatz wechselnder Teams: Durch den rotierenden Einsatz von Mitarbeitern lässt sich vermeiden, dass sich eine feste betriebliche Struktur bildet.
  • Dokumentation der Abgrenzung: Unternehmen sollten alle relevanten Prozesse und Strukturen dokumentieren, um im Streitfall nachweisen zu können, dass kein Betriebsübergang vorliegt.

Schlussfolgerung

Der Unterschied zwischen einer Arbeitnehmerüberlassung und einem Betriebsübergang kann in der Praxis fließend sein. Um Haftungsrisiken zu minimieren, müssen Personaldienstleister und ihre Kunden nicht nur auf eine saubere Vertragsgestaltung achten, sondern auch sicherstellen, dass die Praxis mit den vertraglichen Regelungen übereinstimmt. Wer die rechtlichen Entwicklungen im Blick behält und vorbeugende Maßnahmen ergreift, kann sich gegen ungewollte Haftungsrisiken absichern.

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